Diário – Tagebuch
Endlich einmal darf ich von Erlebnissen in Deutschland berichten. Ja,
denn auch unser Land ist spannend, vor allem mit den Augen von 12 kleinen
Brasilianern betrachtet.
Nach jahrelanger Vorbereitung (Details erfahrt ihr bei Joachim und Dieter)
konnten 10 Jugendliche, Silvania (sie sieht eben jünger aus als
sie ist) und Pater Sabino sozusagen gegen den Besucherstrom fliegen,
der die letzten Jahre recht einseitig von Europa nach Mae Luiza floss.
Anlass des Besuchs war der Weltjugendtag in Köln im August 2005.
Vor diesem Event waren 2 Wochen Akklimatisationszeit in Penzberg angesagt.

Warten am Flughafen München
1. August
2005 – Montag
/ segunda-feira
Alle Vorbereitungen
sind getroffen. Doch ausgerechnet „unser“ Flieger
aus Frankfurt kann sich noch nicht entschliessen nach München zu
fliegen. Also singen sich die Empfänger schon ein und geben „Alexia“ die
ersten Interviews. Mit einer Stunde Verspätung können wir die
Pilger und Pilgerinnen endlich in die Arme schliessen und ihnen ein Ständchen
singen. Das Gegenständchen kommt prompt und bis Fernsehteam und
alle Reisenden in den Autos untergebracht sind vergehen noch hungrige
Minuten.
Im Barbarasaal warten schon die „Eltern“ und eine kleine
Brotzeit. Mit müden, geröteten Augen fallen alle in ihre, dicken,
weichen, grossen Betten.
2. August
2005 – Dienstag / terça-feira
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Etwas irreal ist die
Situation noch – verregnet geht es auf
in den Kindergarten in Steigenberg. Die Kinder legen 100% los, der
Regenbogenfisch kümmert sich nicht um müde Muskeln und
die Kinder sind verzückt endlich mal mit richtigen Brasilianern
Fussball spielen zu können. Mittags folgt die erste grosse Verköstigung
in den Gastfamilien. Kleine Verständigungsherausforderungen
machen sich bemerkt.
Deutsche Fraktion: „Was essen sie gern, was trinken sie. Wann
wollen sie morgens geweckt werden? Im Auto müssen sie sich anschnallen!
Und auf der brasilianischen Seite: „Wohin mit dem Klopapier?
Biomüll? Wo können wir unsere Wäsche aufhängen,
gibt´s auch Wasser ohne gaz ?“
Am Nachmittag wird im Altersheim Pastorinho getanzt, leider sah man
den Tanz dort das erste und letzte Mal. Doch aus dem Köfferchen
kamen noch so ganz andere Kostüme, unsere Freunde haben sich
vorbereitet.
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Es folgte noch ein
Fussballturnier, das den Ehrgeiz aller zu wecken vermochte, beeindruckend
das herrschende Fair Play zwischen den Mannschaften.
Am Abend gab es Köstlichkeiten aus dem Bayernland und einige Spiele zum
Kennenlernen und Namen gravieren.
„ escravos de Jó“ wurde der Renner unter den Spielen, egal
ob mit Schuhen oder Löffeln.
3. August
2005 – Mittwoch
/ quarta-feira
Heute ging´s nach München, dem Wetter zu trotz. Regen und
Kälte schienen den Optimismus der Gäste nicht zu trüben,
oder warum sollte man sonst in Sandalen und luftigem Top die Metropole
besuchen?
4. August
2005 – Donnerstag
/ quinta-feira
Dieser Tag steht
ganz unter dem Thema „Geschichte“. Noch
ziemlich verschlafen gab es anhand zweier historischer Filme eine Einführung
in die Geschichte Penzbergs. Konkreter wurde diese im Penzberger Stadtmuseum,
die zu betrachtenden Wohnverhältnisse und die Erzählungen von
Frau Geiger liessen so manche Parallelen zum Leben in Brasilien durchscheinen.
Weiter ging der Geschichtslehrpfad im heimischen Bergwerksmuseum, wo
auch der Wortschatz aufgestockt wurde: „Glück auf!“
Gestärkt vom Mittagsessen in den Gastfamilien wartete Frau Bartusch
im Rathaus auf uns und durfte einen Leuchtturm entgegen nehmen. Bei der
Feuerwehr blieb kein Auge trocken, wirklichkeitsgetreuer kann ein Besuch
gar nicht stattfinden.

Bei der Feuerwehr
Nach einer Einführung in die Organisationsform der freiwilligen
Feuerwehr gab es Kugelschreiber, Lineale und Pflaster als kleine Andenken.
Nun begann die Anprobe der Schutzausrüstung und das Testen der Autos.
Auch die 1 Liter Spritze sorgte für viel Staunen. Der Höhepunkt
sollte eine Spazierfahrt auf der Drehleiter darstellen, doch auf einen
Schlag ging der Alarm los. Na, das müsste nun wirklich nicht sein…wir
haben schon verstanden wie es funktioniert. Doch zu unser aller Leid
war der Alarm gar nicht für uns, sondern peu a peu trafen die Feuerwehrler
ein, packten zusammen und nahmen auch die Drehleiter mit. Zurück
blieben unsere langen Gesichter. Nach der Aufregung genehmigen sich alle
ein Eis am Rathausplatz.
Tanz, Tanz und noch viel mehr Tanz erfüllte am Abend den Barbarasaal.
Angefangen beim Bauchtanz von Gabi, über Quadrilla und den bayrischen
Tanz gab es bald keine Zurückhaltung mehr und mit Samba klang der
Abend laut und schweisstreibend aus.
5.
August 2005 – Freitag
/ sexta-feira
Dieser Tag wird uns
allen in sehr guter Erinnerung bleiben, es ist so ziemlich der einzige
Tag,
an dem die Sonne sich bei uns sehen liess.
Und so absolvierten wir auch ein strahlendes Programm. Die Königsschlösser.
Erste Etappe war Hohenschwangau, wo sogar die einheimischen Bayern noch
so einiges über die bayr. Königsfamilie lernten. Beeindruckend
war ganz sicher Neuschwanstein, nicht nur, weil wir eher lieblos und
fliessbandähnlich durchgeschleust wurden. Nein, die Pracht hinterliess
ungläubiges Staunen.
Müde und hungrig durften wir dann in Burggen bei Familie Eiband
einkehren, wo wir selbst wie Könige speisten, spielten, sangen und
tanzten bis der Regen kam.

6. August
2005 – Samstag
/ sabado
Ein Tag zum Ausschlafen, nachmittags
gestalteten wir selber das Programm und die Mehrzahl der Brasilianer
machte sich auf den Spuren Sabinos nach
Benediktbeuern ins Kloster auf.

Neben musikalischen Improvisationen am
Flügel des Barocksaales gab es
viele kulturelle Hochpunkte. Damit wir das Essen nicht verlernen,
gab’s noch Kaffee und reichhaltigsten Kuchen bei Familie Diebold.
Am Abend sorgten die brasilianischen Küchendamen für eine angepasste
Feijoada, die nicht ganz zur Zufriedenheit der Kenner und Kennerinnen
gelang. Den deutschen jedenfalls hat’s geschmeckt – auch
ohne Chips als Beilage.
Wen stört es schon, dass da keine Schweinsohren, Schweinshaxen und
sonstige Knöchelchen im Töofchen schwimmen.
Dieter sorgte mit seinem Eisbärenspiel noch für polare
Stimmung und so einige Schreie auf den Eisschollen.
7.
August – Sonntag
/domingo
Sonntag ist Tag des Herrn
und Tag für den Gottesdienst. Gesang
und Gebete richteten sich besonders an das Wetter, das nicht die allerbeste
Aussicht in den Bergen versprach. Denn heute war der grosse Aufstieg
auf die Neulandhütte geplant. Ausgerüstet von den Familien
ging es auf in den Regen.
Ganz falsch
eingeschätzt von uns deutschen Angsthasen, war die Stimmung
wunderbar und trotz Regen sprangen und wanderten unsere Freunde
singend den Berg hinauf. Wir hatten sie ganz klar unterschätzt
und uns mal wieder viel zu viele Sorgen gemacht.
Trotzdem hatte
es oben auf der Hütte erstmal nur 2 Grad, doch unser lieber
Hauswart Gerd konnte für wohlige Wärme sorgen, die mit
Handschuhen und Mütze von so einigen noch angeheizt wurden.
Die Nacht auf der Hütte gilt also nicht zu Unrecht als Eisbrecher. Abends
wurde gegrillt, gesungen, gespielt und noch lange geredet. Gerd zog vom Wein über
Speck und Käse letztendlich auch die Masskrüge heraus und sorgte für
das Wohl aller.
Nach einer Kissenschlacht
folgte die obligatorische Standpauke von Moni und dann war endlich Nachtruhe.
Doch was hat diese Kissenschlacht nicht gutes geleistet, Bimba? |
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8. August
2005 – Montag
/ segunda-feira
Am nächsten Morgen machte sich das Fernsehteam gleich unbeliebt
und filmte die verschlafenen Gesichter. Nachdem alle nach und nach etwas
zwischen die müden Zähne bekommen hatten, folgte der Aufstieg
zur Erlebnisbergmesse.
Von Wind und Regen bis zum Hagel durften wir alle Naturkräfte geniessen.
Das Fernsehteam gab als erstes auf, wir feierten die Messe gemütlich
und sehr eindrücklich in der Hütte weiter. Es folgten noch
Interviews und ein reiches, nudeliges Mittagessen bis es ans Aufräumen
und den Abstieg ging.
In einem Wolken- Sonnen-Mix gelangten wir wieder auf gewohnte Höhen
und waren ganz schnell zu hause unter der Dusche.
Was wird auf keinen Fall vergessen werden:
„
weit, weit weg…“, Sabinos Lachen, den Hagelschauer, die Kissenschlacht,
Gerd, …
9. August
2005 – Dienstag / terça-feira
Das Wort Ruhe ist
völlig unbekannt. Neuer Tag – neues Glück!
Leider nicht mit dem Wetter – und auch nicht unbedingt mit dem
Essen. Nun - nichts gegen Fleisch, nichts gegen Wurst – aber die
Weisswurst wurde doch von der deutlichen Mehrheit abgelehnt. Bei der
Auswertung war diese Wurst der einzig negative Punkt der ganzen 2 Wochen.
Vielleicht hätte man davor nicht bei der Herstellung dabei sein
sollen? Aber eine Wurst gehört nun mal einfach auf den Grill und
nicht in den Topf. B(P)astsa. Am Abend kamen viele Freunde und Freundinnen
der Partnerschaft im Barbarasaal zusammen. Und es war wieder mal ein
schöner Abend. Die Zuschauer genossen den Indio Tanz und das kleine
Puppentheater über die Geschichte Mae Luizas.
10. August
2005 – Mittwoch
/ quarta-feira
Ein energiereicher
Tag. Vormittags lassen wir uns in die Geheimnisse das Walchenseekraftwerkes
einführen, inklusive die Geschichten um
den Waller, der am Grund des Walchensees darauf wartet, dass er sich
an den Menschen rächen kann.
Deutsche und Brasilianer zeigen sich jedoch recht unbeeindruckt und konzentrieren
sich auf die technischen Details.
Mittags sind wir zu Gast bei den kochler Freunden, Frau Samm und die
Ministranten haben ein leckeres Buffet zusammengestellt. Der gute Appetit
wurde durch einige Spiele noch gesteigert.
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Um weiter mit
dem Element Wasser vertraut zu werden, überwanden alle ihre Ängste
und bestiegen das Kreuzfahrtschiff „ Herzogstand“.
Hier sind die Abläufe so aufeinander abgestimmt, dass zwischen
den Erklärungen des Kapitäns leider keine Zeit für
eine Übersetzung bleibt. Nun , da blieb uns eben nur das Geniessen
der Sicht, das Schlafen und zwischenmenschliche Annäherung.
Man darf nicht vergessen, dass sich Jugendliche kennen lernten – wie
nah auch immer – Energie ist geflossen.
Nach der Rundfahrt gab´s für einige noch einen Tretbootausflug, ein
Eis, ein Bad oder einfach Entspannung am Seeufer.
Nach soviel Entspannung wurden noch Teile des Gottesdienstes am Sonntag vorbereitet. |
11. August
2005 – Donnerstag – quinta-feira
Eigentlich sollten heute die
weiteren Jugendlichen in der Pfarrei ankommen…doch
schon seit Freitag war bekannt, dass aufgrund schlechter Planung keine
weiteren TeilnehmerInnen nach Penzberg reisen werden. Also blieb der
Tag ganz für uns. Da das Wetter mitspielte vertrieb sich die „galeira“ den
Tag am Starnbergersee. Es gab Gegrilltes, Gekühltes, Bademöglichkeiten
und Gesang. Man könnte es auch Erholung nennen.
Abends wurde noch ein Begegnungsabend für alle Willigen angeboten.
Ganz bunt war also die Zusammensetzung des Kreises, in dem Fragen zu
Brasilien im Allgemeinen, zu Politik, zu Mae Luiza und zur Partnerschaft
gestellt wurden.
12. August – Freitag
/ sexta-feira
Der Freitag war der offizielle
Tag des sozialen Engagements der Tage der Begegnung in den Diözesen. Vormittags wurden die Brasilianer
anhand einer Fotorallye noch einmal durch die Gassen von Penzberg gejagt
und am Nachmittag ging eine Gruppe noch einmal ins Altersheim, die andere
mühte sich mit Rollstühlen über das Terrain der Glentleiten.
Abends gab es noch eine Besinnung und klare Instruktionen für den
folgenden Samstag, an dem die grosse Wallfahrt in die Wies auf dem Programm
stand. Um 6.oo Uhr war Abfahrt und – alle waren da.
13.
August – Samstag / sabado
Das Wetter war
ganz und gar nicht ideal, ebenso das Schuhwerk einiger südländischer
Pilgerinnen.
Doch beides hielt. Im Prinzip hatten wir keinen Regen und konnten den Gottesdienst
und das Ambiance der Wieskirche auf uns wirken lassen.
Mit dem Patriotismus der Franzosen konnten die Brasilianer zwar nicht mithalten,
doch waren sie nicht allein auf weiter Flur und durchaus in Sambalaune. |
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14.
August – Sonntag – domingo
Und plötzlich war der letzte 24-Stunden Tag gekommen, überrumpelt
trafen alle in der Kirche zum Gottesdienst ein. Musikalisch wurde er
gestalte von den Jesus Feelings, die auch die brasilianischen Rhythmen
schnell adoptierten. Es war eine schöne und bewegende Feier. Und
wir hatten wirklich einen Grund zu feiern und zusammen zu sein mit dem,
der uns einlädt zu leben.
Nach dem Gottesdienst gab es noch ein Mittagessen in den Familien, bevor
am Nachmittag die Spiele ohne Grenzen in den Barbarasaal riefen. Das
Wetter beschränkte die Möglichkeiten nicht nur an diesem Tag.
Aber wie schon einmal erwähnt bedeutet das für die Stimmung
noch lange keinen Bruch. Wie eh und jeh wurde viel gelacht und herumgealbert.
Der letzte Abend wurde gemeinsam im Pfarrsaal in Steigenberg begangen.
Die Gesichter wurden ernster und der Rückblick auf die letzten beiden
Wochen brachte viel Momente wieder in Erinnerung. Es waren 2 erfahrungsreiche,
bewegte, begegnungsreiche und spannende Wochen. Die ersten Tränen
suchten nun den Weg nach draussen. Wer dort war, konnte es spüren,
da ist Freundschaft und viel Sympathie gewachsen. Gefühle, die jeder
und jede in seinem Herzen bewahren wird. Schwer zu beschreiben wie sich
Gesichter, Gestik, Lieder und Stimmen in uns einschreiben können.
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15.
August 2005 – Montag / segunda-feira
Ein grosser
Tag. Zuerst die Festmesse zu Mariae Himmelfahrt mit den Penzberger
Trachtenvereinen, bunter und traditionsreicher könnte ein
Abschiedsbild kaum sein.
So schön Bayern auch sein mag, heute geht es weiter nach Köln. Der
Weltjugendtag wartet und mit ihm hunderttausende andere Jugendliche und junge
Erwachsene.
Am Wellenbad warten bereits die organisierten Busse und weitere Reisende: aus
Habach, Antdorf und Penzberg. Der Abschied verläuft hopp hopp, noch ein
letztes mal Lächeln für ein Gruppenbild und schon sieht man die Busse
nur mehr um die Kurve fahren. Weg sind die brasilianischen Freunde und Freundinnen,
die penzberger Jugendlichen, Sabino und Dieter.
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Zurückbleiben
die Adoptivfamilien. Vielleicht haben sie den Nachmittag mit einem
Portugiesischwörterbuch verbracht, um einen ersten Brief an die „Kinder“ zu
schreiben.
Das
Abenteuer Kulturschock ging weiter…
Silvania liess sich von uns überreden insgesamt 3 Monate als Touristin
zu bleiben. Wir wollten ihr zurückgeben, was wir an Aufmerksamkeit,
Interesse. Liebe und Engagement in Brasilien empfangen durften.
So verbrachte Silvania abwechselnd Zeit mit Elisabeth in Freising und
Webams, bei Alex in München und Burggen, sowie mit mir in Penzberg
und Fribourg.
Es war sicher nicht immer leicht, weder für Silvania noch für
uns, aber es hat sich gelohnt und war eine bereichernde Erfahrung für
alle, die Silvania kennenlernen durften.
Zu den Highlights gehören sicher touristische Unternehmungen wie
die Begegnung mit Schnee auf der Zugspitze, mit flüssigem Käse
beim Fondueessen oder die Ersteigung einiger Berge mit Alex.
VALEU!!

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