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20.
AUGUST 2007 BIS 7. OKTOBER 2007
ein reisetagebuch
- ganz konventionell, kein blog, kein podcast… einfach
so
die letzte reise liegt
schon wieder einige zeit zurück,
vorbei sind die beschriebenen momente, doch sie verdienen es,
festgehalten zu werden. diese reise steht unter einem ganz bestimmten
motto. „amigos para sempre“ – freunde für
immer! ja klar, das sind grosse worte, die man nicht einfach
so in den mund nehmen sollte. will ich auch nicht. ich möchte
diese zeilen dazu nutzen, nachzuerzählen, wie die freundschaft
in den wochen gelebt hat, als wäre es nie anders gewesen.
in der hoffnung, dass die freundschaft für ewig sei. welche
freundschaft also? die zwischen penzberg und mae luiza, die zwischen
verschiedenen menschen, die trotz ihrer verschiedenheit zusammensein
können und das geniessen. die beiden partner feiern 2007
20 jahre partnerschaft. das scheint schon so ewig, so viel ist
passiert. da können eben nur alle hoffen, dass die freundschaft
weiter geht und in einer weiteren ewigkeit noch viele weitere
freunde und freundinnen gewinnt. im juni/ juli 2007 war eine
delegation von brasilianischen feiergästen in penzberg,
am 20. august treffen sich 9 freundinnen und freunde aus penzberg
in lissabon um gemeinsam in einem flotten 7 stunden flug dem
leuchtturm von mae luiza entgegen zu fliegen. wir freunde sind:
joachim keller, ingrid keller, isa, ernst und gabi amschler,
gerhard prantl, anneliese diebold, anka burgener und ich, monika
aigner. einige waren schon öfter da und andere lernen mae
luiza zum ersten mal kennen.
20.
AUGUST 2007 – MONTAG -
der flug ist ruhig, die stimmung
gelassen, sobald der flieger jedoch nach 7 stunden in natal landet,
macht sich eine gewisse nervosität bemerkbar, ich denke
bei allen von uns. einen stempel in den reisepass, vom gepäck
kommt alles an und dann gehen wir durch die „schleuse“-
unzählige freunde bereiten uns einen herzlichen empfang
und ein schönes wiedersehen. in verschiedene fahrzeuge verpackt
werden wir dann nach mae luiza kutschiert, wo wir direkt im espaco
livre aussteigen dürfen. doch an diesem abend hört
niemand das übliche kindergeschrei. an diesem abend gibt
es ein sehr leckeres und sehr freundschaftliches empfangsfest
mit einer diashow von juni/ juli, capoeira, samba und der vollen
palette an früchten und spezialitäten.
21.
AUGUST 2007 – DIENSTAG -
nach diesem fest geht das programm
so richtig los. es scheint die „rache“ auf das penzberger
programm zu sein…das ist mehr als ein fulltimejob! nach
einer mehr oder weniger geruhsamen nacht im haus von padre bianor
(ehemals haus von sabino) dürfen wir heute die schulen besuchen.
im espaco livre stellen wir pfeifenputzermännchenstifte
(meine deutschschüler würden dieses Wort lieben) her
und im casa crescer machen die schülerInnen vorstellungen
für uns. in beiden einrichtungen übergeben wir die
fallschirme, die wir mitgebracht haben.
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fallschirmspiele im espaco livre |
die kommen natürlich sehr gut an und man kann sich glücklich
schätzen, dass in mae luiza das wort ruhestörung (so
gut wie) nicht existiert, denn das geschrei hätte in penzberg
wohl die polizei alarmiert. nach einem selbstgekochten abendessen
ist dann ein teil der gruppe noch zu einem treffen über
den sportplatzbau gegangen. dort waren die verschiedenen verantwortlichen
der fussballvereine anzutreffen und haben den vorschlag des centro
diskutiert, in dem es darum geht, ein kleineres feld neben dem
schon bestehenden grossen platz zu bauen und dies dann für
die jugendlichen zugänglich zu machen. die diskussion wurde
leidenschaftlich geführt und auch weitere aspekte des
sportangebots in mae luiza kamen ins blickfeld. die situation
ist gesamtheitlich
nicht befriedigend und so wurde beschlossen eine kommission
zu bilden, in der weitere wichtige stimmen des viertels sitzen,
um die gesamtlage zu diskutieren.
22. AUGUST
2007 – MITTWOCH -
sporttag! den konnte ich leider
nicht ganz ausgeschlafen angehen, da bianor um halb 7 zu einer
messe musste und sozusagen unter mir durchschlüpfen musste,
weil ich mit der hängematte mitten im wohnzimmer, direkt
vor der haustüre hänge. zu zehnt wird´s eben
schnell mal eng, gerhard schläft oben als badwächter,
amschlers und anka in einem zimmer und kellers und anneliese
im anderen. nun aber zum sport, im casa crescer trainiert reinaldo
seine leute in handball, volleyball und basketball. das war somit
auch unser vormittagsprogramm.
am nachmittag hat
ein teil der gruppe capoeira gemacht und die weniger kampfbereiten
sportler
kämpften mittels brett-und kartenspielen. das ganze war
eine recht anstrengende und körperbetonte aktivität,
so dass wir glück hatten, dass das mittagessen im mangai stattfand. dies ist ein self - service restaurant, in dem es
alle, wirklich alle spezialitäten aus der region nordosten
gibt. das buffet war immens und unsere teller brachen fast unter
dem gewicht zusammen. gut, dass wir nicht alleine waren, sondern
genug freunde um uns herum waren, so konnten wir auf deren tellern
noch probieren, was bei uns keinen platz mehr hatte. der tag
war nach dem capoeira noch lange nicht vorbei, dann kam erst
einmal unser lieblingsreporter carlos santos von rede vida, dem
grössten katholischen fernsehsender der
welt, ausserdem canal da familia…bianor hatte das für uns organisiert,
doch leider musste er selbst zu einer messe und carlos kam zu
spät. dieses interview war ein erlebnis und ich bin froh,
dass wir es nie zu gesicht bekommen haben…es hatte irgendwie
keinen anfang und kein ende, keinen sinn. carlos santos ist ausserdem
stadtrat und hält sich wohl für den wichtigsten…nachdem
auch das geschafft war, konnten wir uns auf den weg zu juliana
machen, die uns an diesem abend zu sich zum abendessen eingeladen
hatte. gekocht hat dann zwar die mutter, doch mit sehr viel freude
und liebe. die hunde waren auch mit von der partie, so dass diejenigen,
die gerade keinen platz zum essen hatten eben noch die hunde
beschäftigten.
23. AUGUST 2007 – DONNERSTAG -
an diesem
vormittag ist wie jeden donnerstag
in der früh um 7.30 die
zusammenkunft der vorstandschaft des centro, sprich francisca, ion, bianor,
loyse, und edilsa besprechen die geschäfte und alles was das centro
angeht. gleichzeitig kam dann noch das fernsehen (ein anderes) und so haben
wir mal wieder öffentlichkeitsarbeit gemacht. mittags waren wir schon
wieder in einem restaurant. es heisst barriga cheia und
ist ein restaurante popular volksrestaurant, in deutschland würde
man vielleicht suppenküche
sagen, bloss dass es in natal einen traditionellen teller mit feijao, reis,
etwas salat und fleisch gibt. es ist eine staatliche einrichtung im alecrim,
wo die leute für 1 real mittagessen können. jeden tag werden
da in etwa 1400 menschen gespeist und wir hatten die ehre, dass uns von
der warenannahme alle verarbeitungsschritte gezeigt wurden. alle vorschriften
bezüglich waren und essen wurden erläutert und später durften
auch wir von dem essen unsere bäuche voll schlagen. barriga
cheia
heisst nämlich nichts anderes als voller bauch. persönlich fand
ich es schade, dass wir beim essen selbst dann eine sonderbehandlung erfuhren.
während die essenswilligen sich in die sehr lange und zum teil sehr
sonnige warteschlange einreihten, wurden wir vorgelassen und plätze
wurden für uns freigemacht. ich weiss, organisatorisch hatten wir
keine zeit uns 30 min anzustellen und zu hoffen, dass es dann noch etwas
gibt
- trotzdem. ich habe mich einfach nicht wohlgefühlt mich vorzudrängeln.
die leute stellen sich oft schon früh an, denn wenn es aus ist, ist
es einfach aus. nachmittags besuchen wir das altenheim, den espaco solidario,
die jüngste einrichtung mit dem höchsten altersdurchschnitt.
derzeit wohnen dort 24 ältere menschen und etwa noch mal so viele
kommen jeden tag, um den tag dort zu verbringen und nachts zu hause zu
schlafen. wir haben im espaco solidario also für abwechslung und unterhaltung
gesorgt. haben gesungen, getanzt und auch den fallschirm demonstriert,
wobei die rollstuhlfahrer wohl am meisten spass hatten unter dem wehenden
stoff durchgefahren zu werden.
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kuckuckstanz im espaco solidario
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24. AUGUST 2007 – FREITAG -
den vormittag verbringen wir alle gemeinsam
im espaco livre, wo wir den vorführungen der kinder folgen, lieder,
gedichte und ballet. wir lassen uns verzaubern und bedanken uns so gut
wir können. anschliessend sind wir beim treffen der erzieherinnen
dabei, überbringen spielzeug von kindern der grundschule aus iffeldorf.
die haben ein projekt gemacht und konnten ein spielzeug nach mae luiza
geben, dass ihnen wichtig ist und von dem sie sich trennen können.
joachim hat erzählt, wie lange einige kinder nachgedacht haben und
wie einige sogar mehrere spielsachen mitgaben. die kinder (und erzieherinnen)
haben sich über die verschiedenen schätze jedenfalls sehr gefreut.
da wir grad dort waren, gab´s noch ein leckeres essen…am
nachmittag ging´s weiter zur versammlung der mitarbeiterInnen des
espaco solidario. das konzept der seniorInnenarbeit wurde noch mal klar,
deutlich und berührend vorgestellt. es war ein sehr emotionales
treffen, da wir oft einfach wieder auf sabino zu sprechen kamen, der
diesen ort, den espaco solidario so sehr geliebt hat und jeden tag vorbeigeschaut
hat. am abend durften wir ein wunderbares mahl im haus von teresa cristina
erleben. sie hatte extra eine nachbarin engagiert, da sie ihre kochkünste
als nicht genügend für so hohen besuch empfand. geschirr hatte
sie auch teilweise ausgeliehen, doch die gastfreundschaft und herzliche
aufnahme war ganz von ihr und den familienmitgliedern. die familie selbst
hat erst später gegessen. Aus platzgründen und weil wir wohl
so spezieller besuch waren. zum dank sangen wir hier zwei lieder…wir
gaben uns alle mühe gegen die stimme der pfingstkirche vis-a-vis
anzukommen, aber deren verstärker und boxen waren wohl einfach kräftiger.
25. AUGUST 2007 – SAMSTAG-
ein tag mit freizeit--- an einem freien
samstag bietet sich wie überall auf der welt eine kleine shopping
tour an. dabei wollen wir natürlich etwas besonders brasilianisches
kaufen und kennenlernen.
es gibt wohl nichts
brasilianischeres als früchte
und keinen interessanteres ort zum einkaufen als das alecrim. alecrim ist
das handelsviertel natals. unter der woche wird dort in den geschäften
und auf der strasse alles, aber auch wirklich alles mögliche, nötige
und unnötige verkauft. der schwarzmarkt mit piratencds und DVDs gehört
genauso dazu wie der schuster zwischen den parkplätzen und das dessousgeschäft.
samstags ist markttag und das auge des besuchers kommt in den genuss der
verschiedensten farbigen früchte, gemüse, fisch, fleisch…darunter
schweineköpfe, rinderfüsse, alles was des fleischessers herz
begehrt oder was er eigentlich nicht sehen will. es ist schon sehr grausig.
nun, wir haben es dank der souveränen führung von ednalva in
dem gewühl überlebt und mussten nur ein schwächeln der vegetarierin
anka in kauf nehmen, die am ende des marktes auf uns wartete. da ich den
markt noch aus anderen jahren kenne, muss ich der stadtverwaltung allerdings
ein lob aussprechen, denn sie haben den markt nun einer kontrolle unterstellt,
die marktstrasse mit grossen pavillonzelten überdacht und für
viel mehr sauberkeit gesorgt. mittags waren wir alle bei leda, einer mitarbeiterin
des espaco solidario und der mutter meines patenkindes lucas eingeladen.
es gab eine typische traditionelle feijoada, einen bohneneintopf mit allem,
was vom fleische übrig bleibt ;-). wir gäste sassen wie die königinnen
und könige im erhöhten garten, die stühle versanken im sand
und wir tranken tapfer das Bier, das uns angeboten wurde. irgendwie glaubten
unsere freunde nach dem besuch in penzberg, dass wir zu jeder tageszeit
bier trinken. viele bekannte gesichter konnte ich dort wiederentdecken,
unter anderen auch danielle, die kanadierin, die ich während meines
praktikums schon kennengelernt hatte. Den nachmittag haben wir dann frei,
einige gehen schlafen andere zum einüben der gesänge für
den gottesdienst am abend. ich verbringe den nachmittag mit silvania, einer
sehr guten freundin un, wir besuchen die mutter von jorge, einem anderen
freund. am abend erleben wir den ersten gottesdienst in mae luiza, es ist
bewegend, doch ganz klar fehlt dort sabino sehr schmerzlich.
der weitere
abend besteht aus einer halben weltreise in die fazenda, eine art showbühne,
die in einer alten fazenda eingerichtet wurde. dort wurden wir von iara
zu einem forró da lua mit dominguinho, einem der besten forróspieler
und –sänger eingeladen. davor schauen wir natürlich noch
bei iara zuhause vorbei, wo das geburtstagsfest eines enkels gerade zu
ende geht und wir so noch einen stärkenden kuchen einschieben. es
wird spät, wir verbringen einen fröhlichen abend mit tanz,
bier und musik…
26. AUGUST 2007 – SONNTAG.
der sonntag verlief leider ganz anders
als geplant… weil das leben eben manchmal anderes im sinn hat. da
wir sehr spät vom forró in die betten kamen, war niemand besonders
auf ein frühes aufstehen erpicht. da ich vor der eingangstüre
in der hängematte schlief hörte ich jedoch, wie padre bianor
recht früh das haus verliess. ich dachte eben für eine seiner
messen. doch irgendwie konnte ich nicht wieder einschlafen und stand auf.
ein zettel von bianor lag gut sichtbar in der nähe auf dem boden.
in dieser nachricht teilte er mit, dass silvanias mutter am samstag abend
nach der messe im espaco solidario verstorben war. sie war dort seit einigen
wochen, weil silvania sie nicht mehr zuhause pflegen konnte, sie litt an
einem nicht mehr behandelbaren krebs. bianor war also zum espaco solidario
gefahren, um dort den bewohnerInnen die nachricht mitzuteilen. in der hoffnung,
dass silvania vielleicht auch dort ist, hab ich mich ebenfalls schnell
auf den weg dorthin gemacht. bianor und ednalva waren gerade im kreis mit
den seniorInnen versammelt um die nachricht mit ihnen zu teilen. sie taten
dies auf eine schöne und behutsame weise, dann wurde gemeinsam für
die verstorbene und für die hinterbliebenen gebetet. silvania war
nicht da. sie hat die nacht bei loyse verbracht und ist gleich in der früh
um 6 in die gerichtsmedizin um die freigabe des körpers abzuwarten.
erst wenn dort bestätigt wird, an was der/die verstorbene gestorben
ist, wird der körper zur beerdigung freigegeben. die beerdigung findet
in brasilien stets so schnell wie möglich, am besten am folgenden
tag statt, besonders wegen des klimas, welches die verwesung des körpers
sehr beschleunigt. so telefonierte ich also mit loyse, eigentlich waren
wir bei ihr zum mittagessen eingeladen. sie bestand darauf, dass das
essen trotzdem stattfindet, das leben geht weiter.
und so war es dann auch. mittags trafen sich alle im haus von loyse
und es
gab ein
gutes essen, gute gespräche,
musik von matheus und letitia und sogar kohlenabbau aus penzberg. die gruppe
ist nach dem essen in den parque das dunas zum spazieren gegangen. ich
bin mit loyse, duce, ednalva und edilsa zum friedhof, wo die beisetzung
von silvanias mutter stattfand. es war ein merkwürdiges gefühl
nach diesem fröhlichen mittagessen…in natal gibt es 2 grosse
friedhöfe, auf denen die toten beerdigt werden. keine kirche hat einen
eigenen friedhof. dabei spielt es keine rolle, ob die person katholisch,
evangelisch oder konfessionslos war. im falle von silvanias mutter wurde
am frühen nachmittag eine kleine feier in ihrer (evangelischen) kirche
gefeiert, dann sind alle angehörigen mit gemieteten reisebussen zum
friedhof. der ist wirklich endlos gross. wir 4 kamen natürlich etwas
zu spät, so erreichten wir das grab exakt im dem moment, in dem der
sarg in die erde gelassen wurde. silvania stand am grab und schien nur
auf uns zu warten. so konnte ich sie endlich in die arme nehmen. es gibt
momente in denen man die eigene anwesenheit als absolut sinnvoll empfindet
und dieses war für mich so ein moment. unheimlich schwer, weil man
eigentlich gar nichts machen kann ausser da sein und aushalten. und eben
unheimlich sinnvoll, weil man da sein kann. daraufhin beschliessen wir
zurück zu loyse zu fahren. silvania und danielle kommen auch mit,
ein kleiner leichenschmaus sozusagen. silvania hatte die letzte nacht nicht
geschlafen und seit wer weiss wie lang nichts gegessen – auch ihr
leben muss weiter gehen. als wir dann beschliessen wieder nach mae luiza
zu fahren, bietet sich danielle an, mich und silvania im auto hinzufahren…und
als wir dann so irreell im auto sitzen, fragt uns danielle ob wir nicht
ein bisschen noch in ein restaurant gehen wollen, bisschen live musik hören…da
ablenkung not tat, stimmen wir zu und finden uns kurze zeit später
in einer bar wieder, wo kinder eines projekts eines anderen stadtviertels
ein konzert geben. das war zwar ein bizarres ende dieses tages…aber
auch schön. silvania bittet mich bei ihr im haus zu schlafen und so
schlafe ich ab da bei ihr, was bedeutet, wir teilen uns das schlafzimmer,
das klo und die küche.
27.08.2007 – MONTAG
-
am montag geht’s dann los ins sozusagen
2. abenteuer, raus aus dem gewohnten mae luiza, rein ins interior, das
landesinnere. silvania, edilsa und bianor sind unsere brasilianischen
führer und mit dabei im kleinbus ist auch noch bonaldo (ja bonaldo
und nicht ronaldo), der den bus sicher durch alle löcher und über
alles, was man hier strasse nennt, hinweglenkt. um 5 geht´s los
nach joao camara, wo ein landlosenprojekt der honigherstellung zu besichtigen
ist. vorher bekommen wir nach 2,5 h fahrt ein self-service frühstück
gleich neben einer tankstelle. die siedlung, die wir besuchen ist schon
fest eingerichtet, ist als kein landlosencamp (des MST – movimento
sem terra) mehr, sondern hat schon gemauerte häuser und ist eine
offizielle siedlung geworden. wir dürfen die honigherstellung kennenlernen
und erfahren so einiges über dieses fleissige volk. wie man sie
zum beispiel von einem holz ins nächste umsiedelt oder welche art
bienen nicht stechen. nach einem abstecher in eine schule ohne schüler
fahren wir weiter nach touros, die alte pfarrei von bianor, in der er
7 jahre pfarrer war. sein abschied dort scheint sehr traurig gewesen
zu sein, umso fröhlicher können wir ihn jetzt in seiner alten
heimat erleben und bestaunen seine werke dort: eine renovierte kirche,
ein sakrales museum, eine grosse alljähliche wallfahrt. alle, die
nicht müde sind – also alle ausser mir- gehen noch auf entdeckungsreise
zum leuchtturm von touros, der der zweitgrösste der welt sein soll,
zumindest ein leuchtturm, der noch wirklich als leuchtturm funktioniert.
zum ausklang des tages und als einstimmung in die nacht verbringen wir
einen fröhlichen und festlichen abend im haus von freunden bianors
in touros, wo es uns an nichts fehlt. es gibt churrasco, also fleisch
vom grill, caipirinha, bier und gesang. das geht mit vollem mond (und
mund) und fledermäusen lang in die nacht hinein.
28.08.2007 – DIENSTAG
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nach einem ausgiebigen frühstück
in touros fährt uns bonaldo weiter nach guamaree zum werk der petrobras,
der grössten brasilianischen ölgesellschaft. dort bekommen wir
einen film gezeigt, ein zweites frühstück serviert und eine kommentierte
rundfahrt im bus nur für uns. nach diesem grössenwahnsinnigen
erlebnis geht’s nun kleiner weiter. der pfarrer von guamarée
empfängt uns sehr symphatisch in seinem bescheidenen haus und bringt
uns bei wie man mit krebsen umgeht---wie man also mit klopfen und zutzeln
doch zu etwas fleisch und saft kommt. das ist eine fusselige arbeit, scheint
sich für die esser aber zu lohnen. nach dieser vorspeise gibt´s
wieder mal lecker essen von der haushälterin. frage: hat jemand schon
mal eine pfarrhaushälterin kennengelernt, die nicht genial kochen
kann? ist uns jedenfalls nicht passiert. nach diesem göttlichen essen
ist es uns leider nicht vergönnt ein schläfchen zu halten, mit
bonaldo geht’s weiter nach macau, wo sich die salzberge brasiliens
befinden. ich möchte mich jetzt nicht mit dem genauen produktionvorgang
aufhalten, auch habe ich mir nicht die mengen an tonnen und ladungen gemerkt,
die von welchem salz verschifft und abtransportiert werden. aber soviel
ist sicher: es sind riesige mengen, hohe berge und wirklich ganz salzig.
nach diesem gipfelerlebnis fahren wir mit dem pfarrer von macau noch an
den berühmten strand und geniessen einen wunderbaren sonnenuntergang.
manche haben sich auf muschelsuche begeben, andere haben ein bierchen und
einen kleinen ?? fisch genossen. in macau durften wir dann auch in irgendeinem
haus der pfarrei duschen und dort hat die wunderbare tradition begonnen,
dass anka mir die füsse massiert. danke anka!! danke auch anneliese
für die anfängliche anleitung! im pfarrhaus haben wir wiedermal
(tschuldigung, dass ich mich ständig wiederhole, aber so war es nun
mal) ein leckeres abendessen serviert bekommen und haben dann noch die
möglichkeit aufgedrängt bekommen uns in der abendmesse vorzustellen.
und schon ging es weiter zu unserem nachquartier in einen kleinen fischerort
namens diegolopez, wo wir in einer pousada, also in einer art pension untergekommen
sind. der hausherr hat sich gut um uns gekümmert, am abend gab es
wieder langen und schönen gesang. hätten wir allerdings gewusst,
dass in diegolopez um 6 uhr der rosenkranz vom band per lautsprecher ausgesendet
/ ausgeschallt wird, wären wir vielleicht früher in die kiste
gegangen. punkt 6 morgens also ist an weiterschlafen nicht mehr zu denken
und ich denke, wenn diese gemeinde die nächsten kollekten in neue
lautsprecher investiert, ist es für die mithörer nicht ganz so
schrecklich.
29.08.2007 – MITTWOCH -
das frühstück entschädigt dann
für vieles für uns geht es dann zum programa de crianca (programm
des kindes), einem projekt der petrobras. es ist eine art schule, in der
die kinder von diegolopez und den umliegenden dörfern verschiedene
kurse erhalten, so z. B. theater, musik, tanz, gesang aber auch malen,
computer und internet und das alles gratis und mittagessen eingeschlossen.
eines der theaterstücke haben sie dann extra für uns auf der
grossen bühne dargeboten. leider blieb uns nicht so viel zeit für
eine unterhaltung mit den jugendlichen, denn wir zogen weiter zu einer ökologischen
wattwanderung mit integrierter aufwärmgymnastik. jede/r ausgerüstet
mit einer wasserflasche ging es dann los und ein ökoführer erklärte
uns alles über die mangroven, aber vor allem über den widerstand
der bewohnerInnen von diegolopez gegen die krabbenindustrie. diese probiert
nämlich schon seit langem das watt für ihre zuchtanlagen zu nutzen.
diegolopez aber will die umweltfeindliche bewirtschaftung nicht zulassen
und engagiert sich für die sanfte fischerei und ökotourismus.
wieder angekommen in der schule von petrobras, konnten wir noch am mittagessen
teilnehmen und mussten uns dann aufgrund von zeitmangel leider gegen eine
noch geplante bootsfahrt entscheiden. so begaben wir uns wohl aber müde
in den bus und bonaldo brachte und sicher nach natal während einige
ein nickerchen einschalteten. in natal haben wir noch die einladung bei
bianca, der schwester von bianor angenommen. Sie betreibt einen brautmodenverleih
mit kleidung aus deutschland. diese kleidung (für hochzeiten, erstkommunion,
feste) kann man dann tageweise dort mieten. sie selbst bekommt die kleider
gebraucht auf verschiedenen wegen aus deutschland. finanziert wird mit
dem erlös der kindergarten in touros. Sie muss uns angesehen haben,
dass wir auf unserer reise fast verhungert wären, jedenfalls gab´s
auch hier noch saft und allerlei kuchen. als krönenden abschluss dieser
freizeittage waren wir noch bei joselia zum essen eingeladen. zuhause bei
ihr und ihrem mann marcos machten wir es und also bequem und konnten mal
wieder so richtig zuschlagen. ich weiss auch nicht, wie ich das jetzt noch
anders beschreiben könnte.
30.08.2007- DONNERSTAG -
heute hiess es
mal wieder früh raus, um 5 uhr haben wir rendezvous mit loyse um zu
einem besonders schönen platz zu einem besonders schönen frühstück
zu fahren. um 5 war loyse da, wir waren da, aber carlos hatte schlicht
und einfach verschlafen, bzw, den wecker zwar gehört aber sich noch
mal auf´s ohr gelegt…er kam dann so um 5.30 uhr, aber wir nahmen
das alle ganz cool, kann ja passieren. loyse wollte dann mit ihrem auto
noch ednalva aufgabeln, die sich an diesem tag frei genommen hatte, um
uns an die südküste zu begleiten. ednalva ist aber leider in
den falschen bus gestiegen und so warteten wir noch so eine gute lange
weile bis auch sie da war. aber wir hatten unseren spass mit den fliegen,
das frühe aufstehen hat sich sicher gelohnt. angekommen an unserem
ort, kurz vor tabatinga auf einer klippe. toller ort, nur leider schlechtes
wetter…das gibt ein stehfrühstück mit einigen sonnenstrahlen
und später regentropfen. wir beschliessen aber optimistisch zu sein,
immerhin wollen wir endlich einen tag am strand verbringen. also fahren
wir durch leichten regen, hoffend nach tabatinga. dort steigen wir mutig
aus, um bisschen ans meer zu gehen. ernst ist zu mutig und wird von einer
sich am felsen zerschlagenden welle geduscht. langsam wird es kalt, und
so beschliessen wir den nachhauseweg anzutreten, uns trockenzulegen und
dann nach pontanegra zum shoppen zu fahren. gesagt getan, joachim geht
gleich noch mit ingrid mir und loyse zur fremdenpolizei, um eine bestätigung
des diebstahls zu erhalten. beim shoppen im souvenirzentrum natals kommt
dann auch die sonne etwas raus und der mittagshunger lockt in die tabua
de carne, ein restaurant, wo es auch typische speisen aus dem nordosten
gibt. ein teil von uns geht noch weiter shoppen ins centro turistico, dem
alten gefängnis von natal. abends fahren wir in die wohnung von ednalva,
wo joachim sich als einparkheld beweisen konnte. dass das abendessen gut
war, erwähne ich gar nicht mehr.
31.08.2007 – FREITAG -
der tag
beginnt offiziell mit einem besuch beim bischof, der sich ein bisschen
mit uns über mae luiza unterhält und uns sein haus zeigt. Ganz
offen, ganz simpel ohen tamtam. danach nehmen wir noch an der messe im
espaco solidario teil, begleitet von der tribuna do norte, der tageszeitung
von natal, die jede bewegung, ja jedes ergrauende Haar festhielt. dann
begann der entspannende teil des tages, der ausflug nach genipabu. mit
den autos auf der fähre setzten wir über nach redinha und fuhren
dann bis zu den seen von genipabu. das sind süsswasserseen hinter
den so bekannten dünen. zuerst sah das wetter mal wieder grausig aus,
doch als ich beschloss auf der fähre bei einem schwimmenden händler
eine sonnenbrille zu kaufen wurde es konstant besser und richtig sonnig
und heiss. es gab (achtung überraschung!!) ein von loyse vorbereitetes
mittagessen und wir sind die dünen hinaufgestiegen. einige sind sie
dann auch runtergerollt, aus eigener erfahrung kann ich sagen, dass sand
in den ohren eher unangenehm ist. aber die abfahrt endete direkt im see
und hat spass gemacht. nach einem wässerchen am strand von genipabu
geht’s zurück richtung mae luiza, wo wie noch einen apfelkuchen
für jussiana wagen, bei der wir am abend zu essen eingeladen sind.
er wurde etwas anders, etwas härter als daheim, aber gegessen wurde
er. konnte mit der lasagne von jussianas mutter jedoch kaum mithalten.
01.09.2007 – SAMSTAG -
kurz vor ende der reise ist es heute zeit
für
etwas geschichte. brasilien ist zwar verglichen mit europa ein junges land,
aber geschichte gibt’s in natal trotzdem genug für einen tag.
wir beginnen in der forte (der heiligen drei könige), der festung
von natal, die der verteidigung der stadt diente. dort ist alles innen
neu restauriert worden und viele schautafeln erklären die verschiedenen
eroberungsphasen in der kolonisation. Von portugiesen, holländern,
franzosen und ureinwohnern erzählt und unser führer gutemberg,
der geschichte studiert. zur stärkung nach all diesen kämpfen
gehen wir zu neides dolces in der innenstadt. neide ist die mutter von
selma, die in eggenthal wohnt und im sommer auch als übersetzerin
im einsatz war. der ananaskuchen ist eine delikatesse. sozusagen als bezahlung
nehmen wir von neide 8 päckchen mit, die den weg nach deutschland
nehmen sollen. wir schauen uns vor dem mittagessen in der farol bar noch
die berühmtesten kirchen und das museum von camera cascudo, einem
sehr, sehr bekannten schriftsteller aus natal, an. bis zur messe am abend
haben wir frei, wir nutzen die zeit zum packen, da wir nach der messe nach
pirangi, einen kleinen ort an der südküste fahren, wo freunde
von jussiana ein wochenendhaus haben. mit uns fahren noch viele andere,
vor allem junge leute, die auch in deutschland waren. es gibt caipirinha,
früchte, viel gesang, tanz und wasservolleyball im „grossen“ swimmingpool.
ausserdem musste die feijoada für den nächsten tag vorbereitet,
also die bohnen sortiert werden.
02.09.2007 – SONNTAG
-
nach dem frühstück gehen die einen
zum grössten cajubaum der erde (einer genmutation) die anderen bleiben
im haus, im swimmingpool, der hängematte oder am herd zum feijoadakochen.
nach der feijoada zum mittag heisst es für uns deutsche schon wieder
aufbruch, da im espaco solidario ein tanznachmittag auf dem programm steht.
die busfahrt allerdings ist eine sehr heisse angelegenheit, da der kochtopf
bei uns noch mit muss und mit dem restlichen inhalt noch SEHR heiss ist.
so waren nun die
bohnen zwischen unseren füssen und heizten uns gut
ein. der forró im espaco solidario liess uns weiter schwitzen, einige
(besonders ältere) tanzpartner liessen ihre deutschen partnerinnen
gar nicht mehr los (oder ingrid?)…es war ein sehr schöner nachmittag
und die musik war original live gespielt. es ist sehr schwierig die atmosphäre
im espaco zu beschreiben, aber ich persönlich fühle mich so was
wie selig, zu hause. obwohl ganz und gar nicht alles harmonisch ist. es
manschelt nur zu sehr, wenn man sich mal vorstellt, dass da 24 leute mit
ganz unterschiedlichen lebensverläufen miteinander leben (müssen)
und die angestellten sind ja auch noch da… bevor loyse und ion uns
dann abholten um bei assis unser abendessen einzunehmen, haben wir uns
noch in der kleinen kapelle von guanabara vor dem gottesdienst vorgestellt.
sie gehört auch zu mae luiza und ist sozusagen die kleine
schwester der kirche.
03.09.2007 – MONTAG -
wieder ein tag, der mit dem sonnenaufgang
beginnt. um 5 uhr steht unsere abschiedsmesse am leuchtturm an.
das wetter ist wieder mal etwas widrig, man könnte auch sagen kalt. die leute
trudeln sehr gemächlich ein, alle frösteln, der plastikaltar
wird herbeigetragen. im anschluss an diese sehr bewegende und mit der manchmal
durch die wolken brechenden sonne eindrücklichen messe, fand das cafe
comunitario, das gemeinsame frühstück, statt. alle hatten etwas
zum frühstücken mitgebracht, was dann geteilt wurde.
leider war
das wetter nicht zu unseren gunsten, so dass sich das frühstück
irgendwie mit dem regen recht schnell verlief. für uns deutsche
startete mit der leuchtturmmesse sozusagen der
abschied und so begannen wir mit den vorbereitungen für das abschiedfest am abend. In der küche
vom casa crescer entstanden ungeniessbare und geniessbare spezialitäten.
bis zum buffet am abend schafften es die bayrische creme und der apfelstrudel.
beide wurden sehr gelobt. am nachmittag haben wir uns noch von den schülerInnen
des casa crescer verabschiedet, die uns einige tolle und kreative
karten gemacht haben. zum fest am abend standen
wir zwar zuerst vor verschlossenen türen im casa crescer,
aber dann war es ein offenes, herzliches und liebevolles miteinander,
bei dem alle bekannten gesichter noch mal zusammentrafen.
seit diesem abend wird in mae luiza auch kuckuckspolka getanzt.
04.09.2007 – DIENSTAG
LETZTER TAG –
er beginnt für gerhard, anka, isa, gabi, ernst
und mich auf besondere weise. juliana hat uns am abschiedsfest zu einem
gottesdienst in ihrem geschäft (also wo sie als verkäuferin angestellt
ist) eingeladen. jeden ersten dienstag im monat findet dort nämlich
eine vom chef organisierte messe für die angestellten statt. so waren
also auch wir als hohe gäste anwesend und ich kann jetzt nur für
mich sprechen, aber ich hab mich noch nicht so fehl am platz gefühlt
wie dort. ist ja noch o.k. dass wir wie die königin von england empfangen
wurden und uns tausendmal gedankt wurde. aber der reine zustand inmitten
von jeans und oberteilen einen gottesdienst zu feiern ist einfach gewöhnungsbedürfig.
ist ja irgendwie nett, dass der chef sich um das seelenheil der angestellten
kümmert, aber naja da wurde extra eine anlage mit mikros installiert
etc…. als meditation nach der kommunion las eine mitarbeiterin dann
einen text vor, in dem sie dankte, dass sie eine arbeit hat, dass sie somit
leben kann etc…kam mir in bisschen vor wie gehirnwäsche, denn
die arbeitsbedingungen sind nicht so ideal. 6 tage woche und der lohn reicht
doch nur zum einfachen überleben. aber ja…es geht auch viel
schlimmer in brasilien. mittags sind wir das letzte mal im espaco beim
essen und verabschieden uns dort schon schweren herzens. dann werden die
letzten einkäufe getätigt, eine truppe fährt noch in den
grossmarkt um kofferweise abacaxi und mamao zu besorgen. dann bleibt nur
noch das warten auf den airportshuttleservice…also das warten auf
carlos und loyse, die gepäck und deutsche einladen. am flughafen herrscht
hochbetrieb. ein paar andere fluggäste sind auch noch da, aber hauptsächlich
leute aus mae luiza. ja, das kann ich jetzt schwer beschreiben.
es ist ein trauriger abschied, aber sicher ein positiver, denn
vor dem eintritt
in die sicherheitsschleuse gibt es ein „amigos para sempre – freunde
für immer“. dann warten wir noch bis die 8 ins flugzeug
steigen, bevor wir wieder nach mae luiza zurückfahren. so schön
kann dableiben sein.
Fortsetzung folgt!

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